50 Jahre Frauenstimmrecht zum 50igsten Geburi meiner Generation


Playlist, Film- und Buchtipps am Ende des Artikels

Das Frauenstimmrecht und ich sind fast gleich alt. Da drängt sich ein kurzes persönliches Résumé geradezu auf.  

"Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt, ...hey Pippi Langstrumpf"

Pippi Langstrumpf

Auch wenn ich in einem klassischen Haushalt aufwuchs, fühlte sich meine Kindheit und Jugend in den 70ern und 80ern in Bern total gleichberechtigt an.

Wir hatten Glück. Im Fernsehen lief Pippi Langstrumpf, die rote Zora und Wickie (und die starken Männer), die ich ebenfalls ohne Zweifel dem weiblichen Geschlecht zuordnete. Diese starken Mädchenfiguren prägten mein Rollenverständnis früh. In meinem 2. Klasse Zeugnis stand denn auch, ich hätte eine Mädchenbande. :-)

Die rote Zora und ihre Bande

Ein Jahr später hatte ich Krach mit meiner besten Freundin und anstatt lang zu schmollen, beschlossen wir uns wie Jungs zu prügeln und gut ist. Schrecklich wars. Noch früher spielte ich gerne mit Puppen, aber eben nicht nur. Mein erstes wichtiges Gspännli war ein Junge, wir bauten eine Hütte im Garten und wollten Bauarbeiter werden, wir "reparierten" unsere ersten Zweiräder und wollten Velomechaniker werden. Dass nach dem dritten Berufswunsch (Putzfrau meiner Grossmutter) lange Zeit kein vierter folgte, mag ich bis heute nicht zu deuten...

In der Schule, in der Freizeit und unter Freunden fühlte es sich immer gleichberechtigt an. In meiner Erinnerung war auch die Mode für uns Mädchen damals auch alles andere als tussig; weite Jeans zu Oversized Pullis, Kurzhaarschnitte, auch gern mal asymmetrisch, waren angesagt und ein altes Herren-Rennrad  fand ich das beste überhaupt.

Plattencover Cindy Lauper "she is so unusual"

Auch das Männerbild war im Umbruch. Die New Waver schminkten sich, Boy George sowieso, enge Glitzerklamotten für David Bowie, rosa für Dieter Bohlen. Auch wenn ich damals nicht stark politisiert war, gingen die Jugendunruhen, die besetzten Häuser, der Schüler- und Frauenstreik nicht spurlos an mir vorbei. Die Demos prägten die Samstagnachmittage auf dem Bundesplatz und im Bundeshaus nahm mit Elisabeth Kopp die erste Bundesrätin Platz.

Trotz der selbstverständlichen Gleichberechtigung unter uns Jugendlichen - im Gegensatz zur Erwachsenenwelt - war Emanzipation für mich und meine Freundinnen immer ein Thema. Vielleicht, weil unsere Mütter eine klassische Rolle ausfüllten und wir uns unsere Zukunft anders vorstellten. Ich entschied mich ausbildungstechnisch für die HSG, weil das BWL-Studium für mich der Inbegriff von Selbstständigkeit und finanzieller Unabhängigkeit war. Damals hiess emanzipiert sein, eben wie ein Mann sein. OMG. Nun, heute bin ich ein bisschen weiser und würde wohl eher etwas wählen, das meinen Neigungen entspricht.

Be yourself. everybody else is already taken.
Und so wünsche ich mir für unsere Töchter und 21st Century Girls, dass Sie das machen, was Ihnen am besten entspricht und darauf vertrauen, dass sich der Rest dann ergeben wird. Dass sie auf ihre Stärken setzen und sich nicht zu stark vom Schwächen ihrer Schwächen leiten lassen.

Dass sie ein selbstbestimmtes Leben leben. Dass sie zu dem werden, was sie sind und nicht zu der, die gefällt. Dass sie sich selbst treu bleiben.

Eine Lebensaufgabe, ich weiss.

An der Uni in St. Gallen merkte ich zum ersten Mal, dass es bis zur Gleichberechtigung noch ein langer Weg ist. 1990 gabs eine Professorin (die beste, bei ihr habe ich das erste Mal im Leben Mathe verstanden) unter all den Professoren sowie bloss 17% Studentinnen. Eine Männerbastion. Wenn also ein Dozent oder Professor einen frauenfeindlichen Witz machte, war er sich in den Anfängen 70% der Lacher sicher. 1995 wurde derselbe Dozent dann von ebenso vielen männlichen Studenten ausgepfiffen. Unvergessen. Ein gutes Gefühl. Eine Generation im Wandel.

Aretha Franklin im Film "the blues brothers" mit "think".

Und so wünsche ich mir für alle 21st Century Girls, dass sie sich gut überlegen, welche Freunde sie um sich scheren und wem sie ihr Herz schenken. Immer wieder mal im Leben braucht man die Rückendeckung guter Freunde und als Paar ähnliche Werte zu leben, erleichtert vieles.

Wir studierten und einmal im Berufsleben, wollten wir im Job vorwärts kommen. Familienplanung war lange kein Thema. Ab 30 war ein Jobwechsel als Frau trotz guter Referenzen dann nicht mehr so leicht. Man könnte ja jederzeit schwanger werden, da stellt man am besten gleich einen Mann ein.

Und so kam es, dass wenn wir Kinder hatten, dann spät. Und mit den Kids, schaukelten wir auch noch Haushalt und Jobs gleichzeitig. Kräfteraubend, ehrlich gesagt. Irgendwann gings für mich nicht mehr auf. So sehr, dass ich entschied ein Weilchen zu Hause zu bleiben, der lohnlosen Arbeit nach zu gehen. Einerseits sicher ein Privileg, diese Freiheit zu haben und trotzdem war das für mich lange schwer verdaulich. Aber eben der einzige Weg zurück zu mir. Soviel zur Emanzipation. Ha, heute bin ich emanzipiert genug Rezepte zu posten. :-)

Aber irgendwie steckt das heutige Schweizer Modell noch in den Kinderschuhen. Wir reden oft von uns als einer Zwischengeneration, nicht in zementierten Rollenmustern gefangen wie unsere Eltern aber schlussendlich sind wir auch nicht so frei, wie wir uns das gewünscht hätten. Angekommen sind wir noch nicht. Island, Schweden und Finnland haben nach wie vor als Gesellschaft Vorbildcharakter.

Und so hoffen wir, dass es unsere Töchter und alle 21st Century Girls  leichter haben werden alles unter einen Hut zu kriegen. Dass Sie in einer Erwachsenen-Welt leben werden, die selbstverständlicher gleichberechtigt sein wird. Dass die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für alle besser werden. Das wäre schön.

Ich weiss, dass der Corona Home Office Zwang für viele Familien sehr schwierig ist und oft wird davon gesprochen, dass die Pandemie für die Gleichstellung von Frau & Mann ein Rückschritt ist. Und trotzdem glaube ich auch, dass dieses "new normal" die Gleichberechtigung in vielen anderen Familien auch vorwärts treibt. Die Väter sind mehr zu Hause und damit näher an den Kindern, kennen deren Freunde mit Namen, die Macken der Lehrer, helfen bei den Hausaufgaben und wissen um den Stundenplan ihrer Freizeitprogramme, kaufen einmal mehr ein, kochen, ...

Jede von uns hat zig Anekdoten zum Thema Gleichberechtigung zu erzählen, die unseren Lebensweg doch recht beeinflussten und dies immer noch tun. Es gibt auch viel Positives auf der Liste zu vermerken und die negativen waren bei mir - im Vergleich zu anderen - natürlich von der harmlosen Sorte. Und trotzdem, das Ziel ist noch nicht in Sichtweite. Und so gehts weiter Schritt für Schritt, auch nach 50 Jahren.

Medien für 21st Century Girls und ihre Mütter


Spotify Playlist für 21st Century Girls und auch für die Girls aus dem letzten Jahrtausend (Merci Hufi für die Idee)

Schweizer Film "die göttliche Ordnung" (2017):
Eine eindrückliche und motivierende Rückblende in die Zeit rund um die Abstimmung zum Frauenstimmrecht.  Der Film ist Pflichtprogramm für meine Girls.

Chimamanda Ngozi Adichies Buch in Briefform: "Liebe Ijeawele...wie unsere Töchter selbstbestimmte Frauen werden" ist mit seinen  80 Seiten ein Kompass für uns und richtungsweisend für junge Frauen.

Der Titel "Wilde Mädchen" ist ein bisschen irreführend, denn sie sind nicht wild, die von Kate T. Parker porträtierten Mädchen, sie sind einfach sich selbst. Der Aufbau des Buchs: Ein Bild  versehen mit einem Zitat der porträtierten Mädchen.

Für jüngere Girls gedacht sind die 100 Porträts aussergewöhnlicher Frauen als Gute Nacht Geschichte. Pro porträtierte Frau gibts eine Doppelseite, ein illustriertes Bild der jeweiligen Frau links, den Lebenslauf rechts.Und so beginnt "rewriting history".

Last but not least: Am Kiosk und Online: Die neue Annabelle im Zeichen des Frauenstimmrechts